Ich ziehe meinen Hut, klopfe auf eure Schultern & verneige mich vor euch!
Seit 2 Monaten darf ich mich nun Zweifachmama, eines 2-jährigen Wirbelwindes (voll in der Autonomiephase) und einer zwei Monate alten Babymaus nennen. Zwei wundervolle, von Glück erfüllte, lehrreiche, intensive und teilweise abgrundtief mühsame und nervige Wochen, mit meinen beiden absoluten Wunschkindern.
In den folgenden schonungslosen, direkten und etwas sarkastischen Zeilen, möchte ich euch einen Einblick in meine Welt als Zweifachmama geben. Ein kleiner Auszug aus unserem Leben, der niemanden entmutigen, sondern viel mehr die Erwartungen an eine hoch produktive, voll leistungsfähige und stets gut gelaunte Mama auf ein realistisches Niveau legen soll. Denn eines schon Mal vor weg – zwei Kinder zu haben ist (für mich) eine ganz andere Hausnummer. Noch nie habe ich den Spruch „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen!“ so sehr gefühlt wie jetzt. Spätestens jetzt habe ich meinen Perfektionismus- welchen ich übrigens schon seit mehreren Jahren eindeutige als eine Schwäche meinerseits definiert habe – abgelegt und meinem inneren Verlangen nach Planbarkeit und Ordnung nicht so streng nachgegeben, wenn nicht sogar meist über den Haufen geworfen.
Der Start ins Zweifach-Familienglück
Mit der Geburt unserer Tochter haben sich unsere Herzen noch mehr mit Liebe gefüllt und unsere Prioritäten, um ein kleines Lebewesen erweitert. Wie es so ist, wenn das eigene Baby geboren wird, waren wir natürlich überglücklich, von Liebe erfüllt und wir fühlten uns vollständig. Etwas anders wie bei meinem ersten Kind, verliebte ich mich unglaublich schnell in die Babymaus und war mir in meiner Berufung als Mama noch sicherer als jemand zuvor. Unglaubliche Glücksgefühle, noch intensiver als vor zwei Jahren, durchfluteten mich regelrecht. Schöner hätte unser Start in das neue Kapitel nicht starten können.
Doch die Realität als Zweifachmama hat mich schnell eingeholt und mich nicht allzu lange in der heiligen Babybubble verweilen lassen. Denn schließlich gibt es da noch jemanden der Liebe einfordert (und natürlich auch verdient), versorgt und bespaßt werden will. Ein zweites Wesen dessen Umstellung von Einzelkind zu Geschwisterkind wahrscheinlich noch viel intensiver und plötzlicher kam als meine Umstellung zur Zweifachmama.
Vor allem wenn das ältere Kind, in Wahrheit selbst noch ein kleines „Baby“ ist und die Selbstständig begrenzt ist, bleibt nicht so viel Zeit für kitschiges, stundenlanges Babyschauen und wochenlanges, gemütliches im Bett liegen.
Der Start in das neue Familienglück ist demnach anders. Teils einfacher, weil einem die täglichen Herausforderungen mit einem Neugeborenen vertraut sind und einem die zusätzliche Verantwortung nicht so halsüberkopf erwischt, andererseits aber auch intensiver, da einem von Beginn an mehr abverlangt wird und man sich schnell in zwei Teile spalten möchte.

Genug Liebe für zwei Kinder?
Früher habe ich nie verstanden, wenn Mütter sich gefragt haben, ob sie ihr zweites Kind je so lieben würden wie ihr erstes. Ich wunderte mich, wie man das in Frage stellen könnte. Doch in der zweiten Schwangerschaft hatte ich genau dieselben Ängste und Zweifel. Mir fehlte gefühlt die Zeit eine intensive Beziehung mit meinem ungeborenen Kind aufzubauen und mich großartig damit zu „beschäftigen“. Die Schwangerschaft lief quasi so nebenbei mit, was auch bei mir die Angst auslöste, mein zweites Kind könnte in mir weniger Zuneigung und Liebe auslösen. Ich genoss die Zeit mit meinem Einzelkind vor der Geburt so sehr und versuchte intensiv viele gemeinsame Momente einzusammeln. Unsere Bindung stärkte sich und ich hatte so viel Liebe für meinen Sohn übrig, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte noch jemanden so sehr lieben zu können.
Aber zum Glück sind diese Gedanken nur hormonelle Hirngespinste! Keine Sekunde lang liebt man ein Kind mehr als das andere. Keinen Moment lang zweifelt man ob die Liebe für das zweite Kind schwächer oder die Bindung weniger intensiv ist. Das Baby zieht einen wieder magisch in seinen Bann und die verfügbare Liebe verdoppelt sich. Dank der Hormone weiß man gar nicht recht wohin mit seiner Liebe und zumindest bei mir kam, vor lauter Liebe, gleich der Gedanke nach einem dritten Kind. Sich diesbezüglich Sorgen zu machen ist daher normal – man muss diesen Gedanken jedoch nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als nötig, denn innerhalb einer Sekunde lösen sich diese Ängste in Luft (oder vielmehr in Liebe) auf.
Erwartungen über Erwartungen
Das wohl Schwierigste am Zweifachmama-Dasein, ist die Konfrontation mit seinen eigenen Erwartungen. Hat man beim ersten Kind das Gefühl gehabt alles irgendwie noch unter einen Hut zu bekommen (hin und wieder zumindest), so blieb dieses Gefühl bis jetzt aus. All seinen Aufgaben und Erwartungen gerecht zu werden, scheint für mich nahezu unmöglich zu sein.
Ich kann beiden Kindern nicht dieselbe Aufmerksamkeit schenken, ihnen nicht alle Bedürfnisse unmittelbar erfüllen und jedes aufgewühlte Schreien sofort beruhigen. Und schon gar nicht kann ich den Boden blitzeblank geputzt halten, jeden Morgen meine Zähne nach dem Aufstehen putzen und meine Haare schön gebürstet haben. Ganz zu schweigen von meinen Erwartungen an eine anstandslose Ehefrau.
Keiner meiner Rollen – als Mama, Ehefrau, Hausfrau – kann ich meinen Ansprüchen nach gerecht werden. Und von meinen Rollen als Freundin und Tochter fange ich gar nicht erst an.
Schon nach wenigen Tagen habe ich (mit einem traurigen und vielleicht auch einem glücklichen Auge) eingesehen, dass ich endlich meine Erwartungen an mich senken muss und vor allem auch darf.
Die Wohnung schaut‘ aus – und das ist okay!
Die WhatsApp Nachricht von der besten Freundin wird erst nach drei Tagen beantwortet – und das ist okay!
Abends schlafe ich neben meinem Mann nach zwei Minuten wortlos ein – und das ist okay!
Ja und manchmal quengelt eines der Kinder länger als 10 Sekunden, weil man sich gerade dem anderen Kind widmet und versucht den zappeligen Arm endlich in das T-Shirt zu packen. Und vielleicht riskiert man hin und wieder mal einen Schreianfall des einen Kindes, weil man das andere in den Arm nehmen und trösten muss. Unmittelbare Bedürfnis-Erfüllung aller Familienmitglieder liegt einfach oft außerhalb des Machbaren.
Such dir dein Dorf – bestehe auf dein Dorf
Ich bleibe dabei, Kinder sind für mich die absolute Bereicherung und geben mir persönlich erst DIE Aufgabe, nach der ich innerlich gesucht habe. Nichtsdestotrotz habe ich begriffen, dass ich diese Aufgabe nicht alleine bewältigen kann. Zumindest müsste ich dafür nochmals mehr meine Erwartungen senken, meinem Energielevel auf die Sprünge helfen und mein Nervenkostüm bräuchte eine Generalüberholung.
Ich habe das große Glück eines unheimlichen tollen und engen Familiennetzwerkes. Vielen Menschen die mir ihre Hilfe anbieten und mir täglich bei meinen Aufgaben zur Seite stehen. Anfangs nahm ich die Hilfe nur zögerlich an, doch ich weiß, ich würde genauso ohne zu zögern unermüdlich zur Seite stehen! Also nehme ich mittlerweile jede Unterstützung mit Handkuss an.
Zugegeben manchmal kommt immer noch ein Hauch von Schuldgefühlen in mir
oder ein klein bisschen Wehmut meinem Verlangen alles selbst meistern zu können gegenüber hoch. Aber ich arbeite daran. Und ich freue mich jetzt schon darauf, irgendwann alles zurückgeben zu können.
Ich kann also nur jeder Mama und allen Eltern empfehlen, sich an sein Netzwerk zu halten oder sich eines aufzubauen, um die Unterstützung zubekommen, die notwendig ist, um diese Mammut-Aufgabe zu bewältigen (ohne abends durchzudrehen).
Fakt ist, zwei Kinder zu haben bedeutet mehr Stress, mehr Druck, doppelte Verantwortung. Es ist definitiv eine Challenge alles unter einen Hut zu bekommen und vor allem seinen eigenen Erwartungen gerecht zu werden. Es ist intensiv, oft mühsam und einfach zu viel. Es bringt einen wieder einmal an die eigenen Grenzen, zwingt einen sich persönlich weiterzuentwickeln und kann den ein oder anderen Heulanfall auslösen.
Aber gleichzeitig empfindet man so viel mehr Liebe als jemals zuvor, wird von Glücksgefühlen überflutet und darf der schönsten Aufgabe überhaupt nachgehen.
Vor allem seine zwei Kinder zusammen zu sehen, wie der ältere das Kleine umsorgt, streichelt und lieb hat, ist all die Anstrengung und die zusätzlichen grauen Haare wert. Die Tage als Zweifachmama haben für mich in Summe mehr anstrengende, nervenaufreibende Stunden, als entspannte und von Glück erfüllte Stunden. Doch es sind die kleinen Marmeladenglasmomente die am Ende des Tages alles aufwiegen und einem zeigen, dass es all die Anstrengend wert ist und nichts schöner ist!
Aber einen Tipp den ich jeder Freundin, Bekannten und allen werdenden Mamas geben kann ist sich ein stabiles Netzwerk – sein eigenes kleines Dorf – aufzubauen, jede Unterstützung anzunehmen und seine hohen Erwartungen endlich über Bord zu werden (zumindest für die nächsten 18 Jahre).
Ps: größten Respekt an dieser Stelle an alle alleinerziehenden Eltern oder Familien die nicht auf die Unterstützung von Großeltern etc. setzen können. Ihr seid wahre Helden & Organisationstalente für mich.